Viele Führungskräfte klagen darüber, dass das einmal eingeführte Shopfloor Management nicht die Fahrt aufnimmt, die man sich erhofft hatte. Oder dass die Mitarbeitenden-Beteiligung nicht die ist, die man sich wünscht.
Woran liegt das und was kann man dagegen tun?
Prozesse straffen und kostengünstiger gestalten, das gehört für die gesamte Lebensdauer eines Unternehmens oder einer Organisation zur Entwicklungsgeschichte dazu. Jeder Technologiefortschritt, jede Veränderung von Kostenstruktur oder Kundenanforderung begründet aufs Neue Aktivitäten zur Prozessverbesserung, Prozessverschlankung und zum Ausmerzen von Verschwendung von Zeit, Geld, Material etc. an Prozessen.
Die meisten Unternehmen beginnen damit, sich durch Expertenberatung mit einer Auswahl an Tools, Vorgehensweisen und Projektplänen an die Umsetzung zu machen. Mitarbeitende und Führungskräfte werden geschult, eine Menge Tafeln werden aufgehängt, KPI (Kennzahlen und Messgrößen) werden definiert und wollen verfolgt werden. Ziel ist, möglichst gute Zielkennzahlen und Fortschritte hinsichtlich Verschwendungsvermeidung, Prozessglättung und Kostenreduzierung zu erreichen. Und dann passiert so oft das Gleiche: sobald die Initiatoren und Förderer sich umdrehen, schläft das Ganze mehr oder weniger im Dämmerschlaf vor sich hin. Die aufgehängten Boards veralten, verkümmern und es wird weiter gearbeitet, wie sonst auch. Warum läuft das so häufig schief?
1. Weil zu Beginn zu hohe Erwartungen mitschwingen
Die Einführung von Shopfloor Management unter Druck bringt leider nicht dieselben Ergebnisse, wie wenn es im Sog entsteht. Was bedeutet das? Aus der Not der Kostensenkung heraus besteht kaum eine Möglichkeit der schrittweisen Entwicklung und des Mitlernens von Führungskräften und Mitarbeitenden. Umgehend wird aus der Verfolgung von Daten wie Produktions- oder Administrationsgeschwindigkeit, Materialeinsatz und Auftragserfüllung die schnelle Verbesserung erwartet. Aber vergessen wird, dass Shopfloor Management nicht einfach nur eine Summe von Tools wie Messung, KPI-Verfolgung und Visualisierung ist. Es ist eine Kulturänderung! Es ändert im besten Fall die Kommunikationskultur, die Kultur der Zusammenarbeit, die Fehlerkultur, die Kultur der Leistungsbemessung und Leistungsbewertung und vieles mehr. Und die braucht sorgfältige Planung, Beobachtung, Betreuung und vor allem: Zeit! Druck, vor allem Zeit- und Erwartungsdruck, sind der Tod für gelungenes Shopfloor Management. Der Sog des Veränderungs- und Verbesserungswillens ist der wahre Dünger!
2. Weil Mitarbeitende keinen Gewinn für sich darin sehen
Nur, wenn alle Beteiligen am Shopfloor einen Gewinn darin erkennen, werden sie sich im Shopfloor Management engagieren. Das kann von einer Erweiterung des Aktionsradius, von der Möglichkeit, neue Methoden auszuprobieren, von der Erlaubnis, eigene Ideen auszusprechen, sie einzubringen und auszutesten und nicht zuletzt bis hin zur Wertschätzung der Erfahrung, auch der schlechten als Lernerfahrung, eine ganze Bandbreite von Gewinn sein, der wirklich motiviert. Die Kunst ist, diesen Gewinn zu benennen, zu vermitteln und sichtbar zu machen und nicht nur den Gesamtgewinn des Unternehmens oder der Organisation. Shopfloor Management, das nur punktuell in Unternehmen und Organisationen eingesetzt wird, entwickelt sich erfahrungsgemäß auch nicht so schnell und kräftig, wie wenn sich eine gesamte Organisation für diese Art der Zusammenarbeit, Leistungsmessung, Informationsweitergabe und Kommunikationsart zur Prozessverbesserung entschließt. Dann sitzen nämlich alle im selben Boot und rudern auf die gleichen Gesamtziele zu. Bereichs- und abteilungsübergreifende Themen sind bei Gesamteinführung auch einfacher zu besprechen und zu bearbeiten und Mitarbeitende fühlen ein gemeinsames „Anpacken“, ein gemeinsames Streben nach Verbesserung. Das gibt Sinn, Zugehörigkeitsgefühl und Zusammenhalt.
3. Weil Datenerhebung sich mitentwickeln muss
Wie oft erlebe ich es in Produktionsbetrieben beispielsweise, dass Kennzahlen mit Daten „gefüttert“ werden, die nicht wirklich realistisch sind, nur um einen übergeordneten KPI verfolgen zu können. Es ist nichts Falsches daran, auch einmal von Annahmen auszugehen, oder von Maschinendaten aus der Bedienanleitung, um eine Entwicklung anzustoßen. Aber zum Beispiel eine „Pi mal Daumen Schätzung“ von Arbeitsabläufen direkt am Shopfloor, die dann vergleichsweise in übergeordnete KPI einfließt, kann zu heftigen Verzerrungen in den Auswertungen führen und man diskutiert monatelang am „falschen Ende“ herum. Wenn die technischen Gegebenheiten noch keine reale, digitale Erfassung hergeben, warum nicht einfach mal mit bloßem Stift und Papier für einen Zeitraum x wirkliche Prozessabläufe von Mitarbeitenden zeitlich dokumentieren lassen und dann Prozesszeit-Abweichungen über diesen Zeitraum mitteln und später genauer analysieren? Zu Beginn hilft es, dass Mitarbeitende sich so in die Prozessbetrachtung einarbeiten, indem sie selbst einfache Prozesse verfolgen und sei es in einem simplen Heftchen. Das ist nicht modern, auch nicht digital, aber persönlich und wirksam. Solange man sich klar ist, dass man die übergeordnete Kennzahl, z. B. den Nutzungsgrad einer Anlage aufgrund rudimentärer, „selbstbestrickter“ Messungen oder Schätzungen errechnet hat und deshalb nicht gleich für bare Münze nimmt, ist erst mal alles in Ordnung. Die Organisation lernt und kann damit auch gezielt Prozessmessung und -Auswertung nach und nach gemeinsam mit den Mitarbeitenden, wo nötig und sinnvoll, digitalisieren. So haben Mitarbeitende die Chance, mit dem KPI-System mitzuwachsen.
4. Weil zu schnell auf den Gesamt-KPI gesetzt wird
Oft genug erlebe ich es, dass Mitarbeitende mit beeindruckenden Gesamt-KPI konfrontiert werden, die für sie am Prozess keine Aussagekraft haben oder an denen sie ihre eigenen Einflussmöglichkeiten gar nicht erkennen können. Shopfloor Management ist eine aus sich heraus wachsende Kultur. Wenn Mitarbeitende von Beginn an mit übergeordneten KPI wie z. B. gleich dem OEE überfordert werden, schalten sie selbstverständlich innerlich ab. Wenn Mitarbeitende zunächst einmal lernen dürfen, ihre für sie selbst relevanten KPI zu verfolgen, darin Übung erlangen und damit experimentieren dürfen, dann haben sie die Chance, sich nach und nach mit den unternehmensrelevanten KPI Stück für Stück auseinanderzusetzen und den Sinn dahinter zu verstehen. Das kann zum Beispiel die Sauberkeit, das Platzangebot oder die Materialanordnung als verfügbarer KPI sein, ebenso wie die Zufriedenheit nach einer Arbeitswoche. Wenn mit Mitarbeitenden gemeinsam erarbeitet wird, wie aus dem Team heraus Maßnahmen ergriffen werden könnten, wie z. B. die Zufriedenheit gesteigert werden könnte, entstehen ganz von alleine Ideen, die ihren Beitrag zum Gesamtergebnis leisten. Nach ein paar Wochen Beschäftigung mit „kleinen“ KPI, fällt auch das Hineinwachsen in Beiträge zu produktions- oder administrationsrelevanten KPI nicht so schwer.
5. Weil die Aktionsradien nicht klar umrissen sind
Mitarbeitende, die im Shopfloor-Meeting oder in der Einführung von Shopfloor Management Boards das Gefühl haben, sich einer weiteren Kontrollinstanz gegenüberzusehen, werden kaum mit Begeisterung beitragen. Nur wenn die Eröffnung von Aktionsradien erfolgt, die es erlaubt, Ideen, Erfahrungen, Wissen und Mut ohne die Gefahr von Restriktionen, Unterdrückung, Missachtung oder Sanktionen einzubringen, dann kann Neugier, Engagement, Motivation auch ungehindert entstehen. Warum mit den Mitarbeitenden nicht einfach die Grenzen derer Aktionsradius im Shopfloor Management hinsichtlich Qualitätssicherung, Regulatorik, Gesetzeslage, Arbeitssicherheit im Dialog besprechen und ansonsten erlauben, eigene Ideen, am Board dokumentiert natürlich, auszuprobieren, sie per Übungs-KPI sicht- und messbar zu machen, sich im Try-and-Error-Prinzip heranzutasten, anstatt nur die „Erlaubnis“ zu haben, Eintragungen am Shopfloor-Board zu machen und dort nur in den vorgegebenen Formularen. Beispielsweise eigene Formulare entwickeln lassen, schafft Mit-Denken! Klar umrissene Aktionsradien zeigen nicht nur Grenzen auf, sondern betonen den Freiraum für Experimentieren. Die umgekehrte Herangehensweise ist ein Schlüssel, um aus Mit-Arbeitenden Mit-Denkende, Mit-Rechnende, Mit-Gestaltende zu machen!
6. Weil die Führung im Shopfloor Management nicht passend ist
Alles vorgefertigt an die Wand zu hängen und die Eintragung und das Beitragen zu verlangen, ist nicht Leadership, sondern Kommando und Kontrolle über Kritik und Lob. Althergebracht und weder motivierend noch entwickelnd. Shopfloor Mangement ist vor allem eine Kulturänderung hin zu einer zielgerichteten, fokussierten, aber auch entwicklungsfördernden Kommunikation und Informationsweitergabe. KPI werden nur dann nachhaltig verbessert, wenn auch Mitarbeitende sich mitentwickeln. Eine Binsenweisheit. Die Führung muss hierbei weniger vorgeben, einweisen, vorstehen und kontrollieren, sondern vielmehr vormachen, Freiraum zum Lernen lassen und geduldig begleiten – nämlich die Mitarbeitenden aus ihrer Komfort- bzw. Angstzone heraus, über deren Wissensgrenzen hinaus in deren Lern- und Experimentierzone hinein. Das Mitgehen der Mitarbeitenden kann man 2023 nicht mehr ernsthaft per Delegationsmacht „anordnen“, sondern durch den coachenden Führungsstil anregen. Zum Beispiel in professionellen, aber fokussierten, zielgerichteten, förderlichen Dialogen auf Augenhöhe, die die Achtsamkeit auf den inneren Zustand der Mitarbeitenden mit einschließt. Das ist leicht erlernbar und gehört heute zum Repertoire erfolgreicher Führungskräfte am Shopfloor.
Dann werden aus Mit-Arbeitenden die mit-reißenden Mit-Machenden und sich Mit-Verantwortlich-Fühlenden an der Prozessverbesserung, die man sich wünscht und Shopfloor Management bringt schneller und auf jeden Fall dauerhaft, exakt, erfolgreich und nachhaltig motivierend die gewünschten Ergebnisse!
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