Wie man eine gute Fehlerkultur im Unternehmen fördern kann
Wie schön wäre es, wenn dieses Thema einfach wäre! Mitarbeitende werden in Aufgaben eingearbeitet, bekommen Material, Schulungen, Briefings und eventuell Weiterbildungen. Zu Anfang stehen Kollegen und Führungskräfte für Rückfragen gerne bereit. Alle Informationen sind geliefert, alle sind auf dem gleich Stand. Dann sollte doch alles gelingen!
Tut es aber nicht immer. Fehlleistungen passieren. Scheinbar unbedeutende, gravierende. Überall. Täglich, stündlich. Immer wieder. Was kostet uns das nicht an Zeit, Energie, Geld, Vertrauen und Wohlgefühl zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften, immer wieder Probleme zu wälzen und aufgetretene Fehler zu diskutieren? Irgendwann reisst irgendwo der Geduldsfaden. Wie kann man das vermeiden, dass Fehler und Fehlleistungen nicht zu einem immer währenden Etikett auf Mitarbeitenden haften, sondern als Wunde auch wieder heilen können?
Im genuine KAIZEN gibt es dazu einfache, aber sehr wirk- und achtsame Regeln:
Heiße Fehler und Fehlleistungen willkommen!
In der japanischen Philosophie des KAIZEN sieht man jeden auftretenden Fehler als prima Chance für Weiterentwicklung. Wo Fehler auftauchen, gibt es auch etwas zu verbessern und daran zu wachsen. Fehler und Probleme machen Schwachstellen im System, in den Prozessen oder den unterschiedlichsten Unternehmenskanälen sichtbar, die vorher verborgen waren. Also, Perspektive wechseln und sich klar machen: Gut, dass das zutage kommt, jetzt können wir daran für die Zukunft verbessern!
Verwende niemals Zeit und Energie auf die Suche nach Schuldigen!
Auch wenn der erste Impuls stark ist: Bei auftretenden Fehlern sich erbost auf die Suche zu machen nach der einen, angeblich „schuldigen“ Person, kreiert eine misstrauische, ungute Stimmung. Es verursacht ein „Wegducken“ der Belegschaft und letztendlich ein zerstörerisches Klima von Kontrolle und Angst. Die investierte, kostbare Zeit und diese Energie kann man besser und nachhaltig sinnvoll anlegen.
Suche nach Ursachen, nicht nach Versagen!
Anstatt die angeblich alleinig „Schuldigen“ oder sich als Führungskraft selbst mit Vorwürfen zu zermürben, lieber gemeinsam die sachlichen Ursachen ergründen. Dabei ganz bewusst Sachlage von Person zu trennen, ist sehr hilfreich und entlastend! Welche Fakten im System haben das vermeintliche „Versagen“ einer Person möglich gemacht oder sogar begünstigt? Wo lassen sich Schwachstellen aufdecken, die zur Fehlleistung beigetragen haben und wie könnte sie für die Zukunft ausgemerzt werden?
Hüte Dich vor „Aufaddieren“, das ist ein Bumerang!
Besonders aktive Mitarbeitende mit großen Aktionsradien machen auf den ersten Blick scheinbar mehr Fehler als passivere mit kleineren Aktionsradien. Vorannahmen und Vorurteile, die sich über die Zeit ansammeln, lassen uns hier schnell die falschen Schlüsse ziehen. Eine „Fehlerhistorie“ oder „Schuldenliste“ von Personen immer weiter aufzuaddieren, führt nicht zu objektiven Urteilen, sondern trüben den Blick. Zudem ermöglichen sie nicht die Rehabilitation und damit die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden. Und Achtung! Bumerang-Gefahr! Fehler, die immer wieder auftauchen, zeigen auch, dass in der Organisation immer wieder die Gelegenheit verpasst wurde, gründlich und umgehend an Frühwarnsystemen oder Gegenmechanismen zu arbeiten!
Achtsames Feedback setzt Energie frei
Anstatt Mitarbeitenden, die Fehler gemacht haben, mit spürbarer Geringschätzung oder mit Vorbehalten zu begegnen, ist es langfristig günstiger, ihnen durch achtsames, coachendes Feedback dabei zu helfen, sich aufzurichten. Sie mit positiven Visionen und Impulsen zu ermuntern, sich z.B. bei der Gesamt-Verbesserung als „Experten“ und „Auskunftgeber“ für den kürzlich entstandenen Fehler aktiv zu beteiligen, macht stark. So werden sie nicht durch Distanz ausgegrenzt, was von Rückzug, über innere Kündigung bis echtem Verlust größere Folgen nach sich ziehen könnte. Sondern besser: sie werden wohlwollend und wirklich unvoreingenommen integriert. Das schafft psychologische Sicherheit, die wiederum positive Energien weckt und Vertrauen wieder wachsen lässt.
Beleuchte gründlich das System!
Sehr selten machen Menschen aus Absicht Fehler. Häufig aus Unachtsamkeit. Aber in den allermeisten Fällen kommen mehrere, persönliche und systemische, Faktoren zusammen, damit ein Fehler oder ein Problem auftaucht. Hier ein paar Anregungen für eine Ursachensuche mit 360°-Blick. Mit den folgenden Fragestellungen richtet sich die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Ursache Mensch, sondern auch auf Umfeld, Ressourcen, Technik, Kommunikation, Management und vieles mehr:
Menschliches:
- Liegt die Ursache an persönlicher Disposition, Energielevel, Gesundheitszustand, Überlastung, Zeit der Betriebszugehörigkeit?
- Könnte es am Arbeitsklima liegen, in dem Mitarbeitende ihr Potential nicht angstfrei, nicht energetisch und motiviert einbringen können?
- Gibt es ausreichend Gelegenheit, Raum und Vertrauen für die Rückversicherung über das Verständnis von Aufgaben, Begriffen, Anwendungen, Sachverhalten, Zusammenhängen?
- Liegt es an mangelnden Weiterbildungen, Einübungszeit, unterschiedlichen Arbeitsweisen?
- Liegen bei der Verrichtung von Arbeit unterschiedliche Werte zugrunde? z.B. Geschwindigkeit vor Sorgfalt oder umgekehrt? Oder: Außenwirkung vor Teamgeist oder umgekehrt?
Management
- Sind die Vorannahmen zu Zeiteinteilung, Pensum, Geschwindigkeit realistisch?
- Gibt es Schwachstellen in der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit der Aufgabenweitergabe?
- Gibt es Lücken oder Schwachstellen in Einarbeitungsplänen, Informationsmitteln?
- Könnte es an mangelnden Vertreterrollen liegen, sodass nur Einzelkontaktpunkte zur Verfügung stehen, die bei Ausfall Lücken hinterlassen?
- Könnte es an mangelnder Betrachtung von Zwischenergebnissen liegen, zu langen Zeitabschnitten zwischen gemeinsamen Kontrollpunkten?
Kommunikation
- Gibt es Fehlerquellen, die in den Kommunikationsmitteln oder in zeitlicher Versetzung von Informationen liegen?
- Sind Fachbegriffe, Abkürzungen, eigene Wortschöpfungen Ursache für Missverständnisse?
- Könnte die Kommunikationsfähigkeit von Führungskräften Einfluss haben? Körpersprache? Wortwahl? Tonalität?
- Sind Ziele und Absichten, Risiken, Gefahren, aber auch Potentiale und Chancen eindeutig und unmissverständlich formuliert oder interpretierbar?
Ressourcen
- Steht ausreichend Zeit zur Verfügung oder ist hoher Zeitdruck auch ein begünstigender Fehlerfaktor?
- Sind die vorhandenen technischen Mittel und die Ausstattung angemessen, ausreichend, funktionell und auch verstanden?
- Haben ausreichend personelle Ressourcen zur Verfügung gestanden?
Umfeld
- Haben Umgebung, Räumlichkeiten, Distanzen eventuell Einflüsse auf den aufgetretenen Fehler?
- Sind Beleuchtung, Arbeitsplatzgestaltung, Lärm etc. fehlerbegünstigend?
- Ist die Arbeitsumgebung, der Ort, Fehler vermehrt auftreten, förderlich, motivierend, angsteinflößend, bedrückend oder in irgendeiner Weise fehlerbegünstigend?
Vieles kann zusammen kommen, wenn Fehler auftreten. Unternehmen sind miteinander arbeitende Gemeinschaften von Menschen, die sich seit Gründung immer im Wandel und in einer stetigen Weiterentwicklung befinden. In diesem Verständnis sollten sie bestrebt sein, zusammen immer schneller, erfahrener und kreativer in der Lösungsfindung zu werden.
Selbstreflektiert und lösungsorientiert gemeinsam von allen Seiten und kontinuierlich Ursachenforschung ohne Personenbeschuldigung zu betreiben, ist der Schlüssel für eine positive und nachhaltige Fehlerkultur. Gemeinsam daran zu arbeiten, welche Ursachen aus allen möglichen Blickwinkeln beleuchtet, zu einer Fehlleistung führen können und diese Stück für Stück zu verbessern, sodass ein auftauchender Fehler künftig weniger häufig oder irgendwann gar nicht mehr auftauchen kann, schweißt zusammen, schafft gegenseitiges Vertrauen und ein Wir-Gefühl. Vor allem: Die Fehlleistung ist damit kein eingebranntes Tattoo, sondern höchstens eine Wunde, die auch wieder heilen kann.
Wenn Sie lernen möchten, wie eine förderliche Fehlerkultur aktiv im Unternehmen zum Wachsen gebracht werden kann, empfehle ich Ihnen zum Beispiel unser Seminar: Mindful Leadership